Markenstories in einer atomatisierten Medienlandschaft

Petra Sammer
4 min readOct 15, 2021
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›It’s not just a coat. That coat has a story — and that story serves as an entry point for Burberry (…) ›People want the soul in things. They want to understand the whys and the whats and the values that surround it.« — Christopher Bailey, ehem. Creative Director und CEO von Burberry

Die Vision einer Marke und deren Werte prägen die Storyline jeder guten Markengeschichte. Gute Markengeschichten bieten darüber hinaus Identifikationsfiguren. Sie zeigen „Helden“ als Bezugspunkte, mit denen sich der Zuschauer verbinden kann. Sie greifen auf Bekanntes zurück — und überraschen dann doch mit Neuem, Inspirierendem. Gute Markenstories eröffnen Blickwinkel und Einblicke, die einen packenden Spannungsbogen schlagen.

Dabei muss nicht alles ins Bild kommen: »Inspire, don’t inform« — narrative Bildelemente bieten Mehrwert und animieren, selbst mehr zu entdecken. Varianz und Medienmix halten dabei den Spannungsbogen.

Brands as Patterns

Marken sollten nicht daher nicht als starre Konzepte präsentieren mit den immer gleichen, monotonen Bildwelten. Allzu schnell tritt dann ein Gewöhnungseffekt ein — das Publikum langweilt sich. Moderne Marken verstehen sich als variable Muster, die spannend bleiben — ganz ähnlich einem Musikstück, das man anhand seiner Melodie oder eines Grundakkords wiedererkennt, das aber immer wieder leicht verändert klingt. Eine starre Wiederholung immer gleicher Akkorde würde man als monoton und negativ wahrnehmen. Genauso setzen kreative Marken auf variierende Bildmuster, die das Publikum immer wieder neu, positiv überraschen.

Lesetipp: „Marken als Muster“ — großartig erläutert ist dieses Markenkonzept in dem Whitepaper von Method »Brand as Patterns«

Bilder als Botschafter

Je mehr Aufgaben ein Bildmotiv übernimmt, desto besser gelingt es ihm, aus der Flut der Bilder herauszuragen. So setzte beispielsweise zum 50. Geburtstag der Marke »Barbie« der Spielzeughersteller Mattel auf visuelles Storytelling in der PR und auf ein Bildmotiv, dessen Aufgabe weit mehr war als nur »auszuschmücken« — ganz im Gegenteil:

„Jedes Mädchen kann werden, was auch immer es sich erträumt. Auch Kanzlerin.“ Zum 50. Jubiläum kreierte Barbie eine »Merkel-Barbie« und ein Bild, das von den Medien begeistert aufgegriffen wurde. (Bild: Mattel)

Dem Bild von der „Merkel-Barbie“ gelang es, Interesse nicht nur für das Jubiläum zu wecken, sondern für die Story dahinter: In den 50 Jahren ihres Bestehens hatte Barbie nicht nur die aufregendsten Kleider getragen und war zu einer Mode-Ikone geworden, sie hatte auch mit zahlreichen Outfits in die verschiedensten Berufe geschlüpft. Tierärztin, Ingenieurin, Computerspezialistin oder Astronautin — Barbie war in alle diese Berufe und viele mehr aufgetreten. Sie wurde damit zum Ansporn für Mädchen weltweit, entgegen allen Vorurteilen oder Klischees, den Beruf zu ergreifen, den sie sich wünschen.

Barbie rief den Mädchen gleichsam zu: »Die ganze (Berufs-)Welt steht dir offen. Du kannst alles werden, was du willst. Sogar Kanzlerin von Deutschland.« Die »Merkel-Barbie«, das Bild einer (frei) nach dem Vorbild von Angela Merkel erstellten Sonderedition, wurde von Zeitungen und Zeitschriften deutschlandweit in einer Auflage von 405 Millionen Exemplaren abgedruckt. Der Stern zeigte das Bild auf einer Doppelseite, Der Spiegel berichtete, Frauenzeitschriften wie die »freundin« und sogar »Emma« berichteten ausführlich über die Story. Für Barbie wirkte sich die Bildkampagne positiv auf Image und Absatz aus.

Atomisierung der Medienlandschaft

Gute Geschichten werden weitererzählt, geliked und geshared. Zentrale Elemente einer Storytelling-Strategie sind daher Inhalte, die leicht weitergereicht werden können und »atomisierbar « sind.

Der Journalist Peter Glaser nutzte Anfang 2015 in einem vieldiskutierten Aufsatz in der Zeitschrift »GDI Impulse« erstmals den Begriff der »Atomisierung der Medienlandschaft «:

»Die klassische Struktur der Zeitung zerflimmert im Netz. Sie ruht auf dem Fundament einer festgelegten Sortierung der Welt in Titelseite, Aktuelles, Wirtschaft, Feuilleton und so fort. Aber auch das feste Molekül Zeitung löst sich auf in einzelne Artikel und Text-Tracks, die nun als kybernetisches Konfetti durch die Teilchenbeschleuniger im Netz sausen. Sie werden in den sozialen Medien verteilt, via Facebook empfohlen, retweetet, rebloggt und als Zitate und Ausschnitte noch weiter atomisiert. So ergibt sich ein neues Gewebe aus Nachrichten, das mit der konventionellen Anordnung von Information nur noch wenig zu tun hat. Es ist eine Art flüssige Zeitung. Ein Stream. Und es weist neue, übergeordnete Qualitäten auf, die eine einzelne Zeitung gar nicht hervorbringen kann — eben weil sie nur eine ist.«

Bilder als „snackable Content“

»Snackable Content« lautet daher das Buzzwort. Erfolgreich sind skalierbare Inhalte, die passend für die unterschiedlichen Kommunikationskanäle in kleine Portionen zerteilt werden können und so transmediales Erzählen ermöglichen.

Bildern kommt hier große Bedeutung zu. Während sie in der Vergangenheit vor allem zur Ausschmückung und Visualisierung von Textinhalten genutzt wurden, tragen sie heute mehr und mehr die Hauptlast der Kommunikationsaufgabe. Bilder sollen nicht mehr nur visualisieren und die Zielgruppe informieren, sondern auch inspirieren, motivieren und mobilisieren.

Bild-Check

Prüfen Sie selbst: Welche Aufgabe übernehmen Ihre Bilder? Wählen Sie dafür ein zentrales Bild aus Ihrer Kommunikation aus und gehen Sie diese folgende Checkliste durch:

· Visualisieren Sie? Ist Ihr Bild lediglich ein »Schmuckbild« oder liefert es dem Betrachter wichtige Informationen und einen Mehrwert?

· Interessieren Sie? Handelt es sich bei Ihrem Bild um eine Standardaufnahme oder ist es unverwechselbar für Ihr Unternehmen und Ihre Marke? Ist es ästhetisch außergewöhnlich?

· Inspirieren Sie? Ist Ihr Bild ein »Hingucker« oder ein »Weggucker «? Ist es gefällig oder provoziert es? Löst es Emotionen aus?

· Motivieren Sie? Erzählt Ihr Bild eine Geschichte (Held & Zentralpunkt, Konflikt & Spannungsbogen)? Triggert es eine Geschichte (sinnstiftende Marke)?

· Mobilisieren Sie? Eignet sich Ihr Bild für transmediales Erzählen (»Snackable Content«)? Wie stark ist der »Call for action« (Shareability)?

Noch mehr Tipps zum Thema „Visuelles Storytelling“ finden Sie in dem Buch, aus dem dieser Text stammt: „Visual Storytelling: Visuelles Erzählen in PR und Marketing“ von Petra Sammer und Ulrike Heppel, Verlag O´Reilly. — und auf diesem Blog: Amazing Stories

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Petra Sammer

pssst… Petra Sammer is a communications strategist, ideacoach, creative, speaker & book author — www.petrasammer.com